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Volksbegehren „Zukunftsentscheid Hamburg“: Frau Fegebank, sagen Sie endlich, dass Klimaneutralität 2040 nicht möglich ist – sonst droht Hamburg am Ende die Stilllegung der Wirtschaft

Am 12. Oktober stimmen die Hamburgerinnen und Hamburger über das Volksbegehren „Zukunftsentscheid Hamburg“ ab. Ziel ist, dass Hamburg bereits 2040 klimaneutral wird. Die Grünen Hamburg unterstützen diese Forderung ausdrücklich und haben sich in ihrem eigenen Programm sogar Klimaneutralität bis 2035 vorgenommen.

Viele Menschen – auch ich selbst – wünschen sich, dass unsere Stadt so schnell wie möglich klimaneutral wird. Aber politische Zielmarken dürfen nicht auf bloßen Hoffnungen beruhen, sondern müssen wissenschaftlich fundiert, technisch machbar und sozial verträglich sein. Zahlen in Gesetzen können keine Wünsche sein – sie müssen klare, auf Studien und Fakten gestützte Vorgaben darstellen. Alles andere ist Symbolpolitik, die am Ende großen Schaden anrichten kann.

Juristische Realität: Was ein Volksentscheid bedeutet

Ein erfolgreicher Volksentscheid würde das Hamburgische Klimaschutzgesetz ändern. Damit entstünde ein verbindlicher Rechtsanspruch: Hamburg müsste sich per Gesetz verpflichten, bis 2040 klimaneutral zu sein.
Wird dieses Ziel nicht erreicht, können Bürger, Umweltverbände oder Unternehmen auf Umsetzung klagen. In letzter Konsequenz könnten Gerichte drastische Sofortmaßnahmen anordnen – etwa die Stilllegung von Industrieanlagen, nur um die CO₂-Bilanz rechnerisch zu erfüllen.
Das wäre ein Szenario mit unabsehbaren Folgen: Arbeitsplätze, Wohlstand und Steuereinnahmen stünden auf dem Spiel – und die gesellschaftliche Akzeptanz für Klimaschutz würde massiv leiden.

Eigene Fakten sprechen eine klare Sprache

Senatorin Katharina Fegebank selbst hat erklärt: Schon das Klimaziel 2045 ist nur mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCS) erreichbar. Wer 2045 nur mit CCS schafft, kann 2040 schlicht nicht erreichen.

Auch das Gutachten, das ihr Vorgänger Jens Kerstan in Auftrag gegeben hat, bezeichnet Klimaneutralität 2045 als „sehr ambitioniert“. Der damalige Staatsrat Michael Pollmann bestätigte diese Einschätzung ausdrücklich.

Auf meine letzte Schriftliche Anfrage teilte der Senat im August 2025 mit:
„[…] lassen sich derzeit keine direkten Erkenntnisse für eine frühere Zielerreichung in der Bundesrepublik Deutschland und damit auch in Hamburg ableiten.“

Die Umweltbehörde hat mehrfach eingeräumt: Es gibt keine einzige Studie, die ein Zieljahr vor 2045 realistisch erscheinen lässt.

Und die SAGA – Hamburgs größte Wohnungsbaugesellschaft – erklärte: Ein Vorziehen auf 2040 würde ihre Klimastrategie vollständig über den Haufen werfen, mit erheblichen Kosten, Verzögerungen und deutlichen Mietsteigerungen.

Die nüchternen Zahlen

Wer sich die Zahlen anschaut, erkennt sofort, wie groß die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist:

  • Wärmepumpen: Laut Klimaplan sollen bis 2030 im Gebäudebestand 63.000 Wärmepumpen installiert sein, bis 2045 sogar 159.000. Tatsächlich waren es Ende 2024 gerade einmal 6.017. Der Rückstand ist gewaltig – und ohne Fachkräfte kaum aufzuholen.

  • Fernwärme: Der Anteil liegt heute bei rund 30 Prozent. Bis 2045 sollen 50 Prozent aller Haushalte angeschlossen sein. Das bedeutet: Kilometerweise Straßen müssen aufgerissen, Netze verlegt und Anschlüsse gebaut werden. Allein das zeigt, dass selbst 2045 eine enorme Kraftanstrengung ist.

  • Senken: Hamburg will bis 2045 die CO₂-Emissionen um 98 Prozent gegenüber 1990 senken. Die restlichen zwei Prozent sollen durch Senken ausgeglichen werden. Doch dafür gibt es bislang kein Konzept. Prognostisch verbleibt ein Restbedarf von 424.000 Tonnen CO₂, für den heute niemand eine Lösung hat.

Politische Verantwortung von Frau Fegebank

Frau Fegebank war lange Wissenschaftssenatorin. Gerade deshalb muss man von ihr erwarten, dass sie sich den wissenschaftlichen Fakten verpflichtet fühlt. Ihre Worte haben Gewicht – in der Stadt und in der eigenen Partei. Wer trotz aller Erkenntnisse suggeriert, 2040 sei machbar, weckt falsche Erwartungen, die später in Enttäuschung und Politikverdrossenheit münden werden.

Noch schwerer wiegt: Wer die eigenen Studien und Gutachten der Umweltbehörde ignoriert, spielt den Klimaleugnern in die Hände. Denn genau das ist ihr Argument: dass Politik wissenschaftliche Erkenntnisse nach Belieben auslegt.
Wenn wir den Klimawandel als menschengemacht beschreiben, verweisen wir auf wissenschaftliche Studien. Dann müssen wir auch die Studien akzeptieren, die zeigen, dass 2040 für Hamburg nicht erreichbar ist. Alles andere untergräbt die Glaubwürdigkeit unserer Klimapolitik.

Wunsch und Wirklichkeit auseinanderhalten

Klimaneutralität 2035 oder 2040 klingt attraktiv – aber ohne flächendeckende Fernwärmeanschlüsse, ohne ein Wasserstoffnetz, ohne massive Umstellung der Energieversorgung und ohne ausreichende Fachkräfte bleibt es eine Fiktion.

Natürlich ist es richtig, ambitioniert zu bleiben. Aber ambitioniert darf nicht gleichbedeutend sein mit unrealistisch. Wer Ziele vorgibt, die absehbar nicht erreichbar sind, gefährdet am Ende nicht nur die wirtschaftliche Basis Hamburgs, sondern auch den gesellschaftlichen Rückhalt für den Klimaschutz.

Was jetzt gebraucht wird

Hamburg braucht Ehrlichkeit statt Wunschdenken.

Darum ist es jetzt die Pflicht von Frau Fegebank, den Bürgerinnen und Bürgern – und ihrer eigenen Basis – klar zu sagen: So sehr wir uns alle eine Klimaneutralität schon 2035 oder 2040 wünschen, die Fakten sprechen dagegen. Hamburg kann und muss ambitioniert bleiben – aber immer auf Grundlage von Wissenschaft, nicht auf Grundlage von Hoffnungen.

Es geht nicht um Parteipolitik. Es geht darum, staatspolitisch Verantwortung zu übernehmen und Schaden von unserer Stadt abzuwenden. Nur so bleiben Klimaschutz, Wirtschaftskraft und gesellschaftlicher Zusammenhalt im Gleichgewicht.