Auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg stehen nach Schätzungen rund 32.000 bis 36.000 Bäume – eine beeindruckende Zahl, die auf der riesigen Fläche von 389 Hektar etwa 93 Bäume pro Hektar ergibt. Damit ähnelt der Friedhof in seiner Baumbesiedlung stark einem Bestattungswald, in dem die Bäume nicht nur Teil der Gestaltung, sondern zentraler Bestandteil des Konzepts sind. Doch gerade in solchen Ruhewäldern nehmen die Berichte über Baumverluste stetig zu – teils mit drastischen Konsequenzen wie Schließungen ganzer Areale.
Auch in Ohlsdorf wird regelmäßig gefällt. Die Zahlen sprechen für sich:
Jahr | Gefällte Bäume | Gepflanzte Bäume |
---|---|---|
2020 | 368 | 159 |
2021 | 213 | 183 |
2022 | 494 | 108 |
2023 | 258 | 98 |
2024 | 332 | 97 |
Insgesamt wurden seit 2020 über 1.660 Bäume gefällt, aber nur etwa 645 neu gepflanzt. Die Differenz ist eklatant – und ruft zunehmend Kritik von Bürgerinnen und Bürgern hervor. Sie bemängeln nicht nur das Ausmaß der Fällungen, sondern auch die mangelnde Transparenz: Denn das Bezirksamt wird gar nicht erst informiert.
Grund dafür ist eine gesetzliche Ausnahme. Laut § 5 Nr. 10 der Hamburger Baumschutzverordnung unterliegen staatliche Friedhöfe – wie Ohlsdorf – nicht der Meldepflicht bei Baumfällungen. Diese Befreiung ermöglicht es den Betreibern, Bäume zu entfernen, ohne darüber Rechenschaft ablegen zu müssen oder eine Genehmigung einzuholen.
Dabei stellen sich viele Fragen: Wird ausreichend nachgepflanzt? Werden die ökologischen Auswirkungen bewertet? Und was bedeutet das langfristig für die grüne Lunge des Friedhofs – und für das Vertrauen der Bürger?
Auch im Ruhewald-Bereich, etwa beim Prökelmoor, gibt es Sorgen, dass durch mehrfache Grabungen im Wurzelbereich langfristige Schäden an den Bäumen entstehen. Offiziell wird betont, dass Urnengräber in Handarbeit ausgehoben werden und ein Abstand von mindestens drei Metern zu den Bäumen eingehalten wird – doch wissenschaftliche Untersuchungen zum tatsächlichen Einfluss solcher Eingriffe auf die Vitalität der Bäume fehlen bislang.
Der Umgang mit den Bäumen auf dem Ohlsdorfer Friedhof wirft Fragen auf – nicht nur über die ökologische Verantwortung, sondern auch über das Maß an Kontrolle und öffentlicher Beteiligung. Wenn Fällungen ohne Aufsicht erfolgen können, droht langfristig der Verlust eines der wichtigsten städtischen Grünräume Hamburgs – ganz ohne dass jemand offiziell davon erfährt. Auch werden diese Fällungen nicht bei den offiziellen Statistiken der Bezirksämter aufgenommen.