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Senat lässt die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung im Regen stehen – hoher Personalfehlbestand sowie Krankheitsstand, viele Überlastungsanzeigen, wenig dokumentierte Mitarbeitergespräche

Den Bürgerservice der Bezirksämter läuft das Personal weg und die Krankheitsstände sind am höchsten. Massive Fehlbestände sind die Ursache. Die gesamte Hamburger Verwaltung weist einen Fehlbestand von unglaublichen 4.046,55 Stellen auf. Allein das Bezirksamt Mitte hat einen Fehlbestand von 15,23 Prozent und damit nur zweiter hinter der Senatskanzlei mit 23,13 Prozent. Diese Fehlbestände führen zu Überlastungsanzeigen. Im Fachamt für Bauprüfung des Bezirksamtes Mitte hat jeder zweite Beschäftigte eine Überlastungsanzeige abgegeben. Auch beim Thema Wertschätzung der Beschäftigten unterscheiden sich die Behörden deutlich. Bei der Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke wurden mehr als 57 Prozent nicht mal ein Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräch angeboten.

Personalfehlbestand

Die Hamburger Fachbehörden sowie Bezirksämter weisen 58.744,41 Stellen auf, wobei nur 54.697,86 besetzt sind. Ein Fehlbestand von unglaublichen 4.046,55 Stellen (22/11478). In den Fachbehörden weisen die SPD-geführten Bereiche „Senatskanzlei“ mit 23,13 Prozent, die „Behörde für Stadteinwicklung und Wohnen“ mit 16,90 Prozent sowie die „Behörde für Kultur und Medien“ mit 15,94 Prozent den höchsten Fehlbestand auf.

Bei den Bezirksämtern sind die Bezirksämter Mitte mit 15,23 Prozent und das Bezirksamt Wandsbek mit 12,64 Prozent Spitzenreiter. Im Jahr 2019 hatte das Bezirksamt Mitte nur einen Fehlbestand von knapp mehr als neun Prozent (22/5983). Offensichtlich hat der Bezirksamtsleiterwechsel zu einer erhöhten Flutaktion geführt.  Das Bezirksamt Wandsbek hat sich seit 2019 verbessert. Schließlich lag der Personalfehlbestand im Jahr 2019 noch bei knapp 18 Prozent (22/5983).

Den höchsten Personalfehlbestand pro 100 Beschäftigte weisen die Bereiche „Bürgerservice“ und „Wirtschaft, Bauen u. Umwelt“ des Bezirksamtes Mitte sowie die Bereiche „Bürgerservice“ der Bezirksämter Altona, Eimsbüttel und Harburg auf.

Insbesondere die besonders belasteten Bürgerservices weisen erhebliche Fehlbestände auf: Bezirksamt Altona 29,05 Prozent, Eimsbüttel 22,30 Prozent, Harburg 16,5 Prozent und Mitte 16,01 Prozent. Es ist somit nicht verwunderlich, dass es immer schwerer wird Termine beim Bürgerservice zu erhalten. Schließlich sind die Stellen hier kaum besetzt. Wir als CDU-Fraktion fordern seit Jahren, dass der Senat durch eine Überprüfung der Vergütungsstruktur die Attraktivität der Stellen in den Bezirksämtern sicherstellt. Zudem gilt es, die Entwicklungsmöglichkeiten in den Eingruppierungen zu verbessern, um Anreize für die berufliche Entwicklung zu geben. (22/9013) Nur so können diese Fehlbestände abgeschafft werden. Schließlich ist der Kundenkontakt harte Arbeit.

Auffallend ist noch ein erheblicher Fehlbestand von 21,13 Prozent beim Umweltbereich des Bezirksamt Mitte. Hier ist fast jeder vierte Posten unbesetzt. Offensichtlich bestehen hier gravierende Probleme, welche zeitnah vom Senat angegangen werden müssen. Dieser für unsere Umwelt und für das Klima so wichtige Bereich muss zeitnah nachbesetzt werden.

Aus der Sicht des Senats lässt sich aus dem Vergleich Ist und Soll jedoch kein konkreter Personalbedarf ableiten, da es sich u.a. um einen Ermächtigungsrahmen, der von den Behörden und Ämtern unter Berücksichtigung weiterer Kriterien (u.a. Budgetvorgaben, Personalentwicklungspfade) ausgeschöpft werden kann. Damit räumt der Senat ein, dass er Stellen eingerichtet hat, die weder finanziert noch sinnvoll sind. Eine fehlgeleitete Personalplanung, die weder transparent noch nachvollziehbar ist und auf Willkür basiert.

Jedoch verwundet diese Aussage. Nach mehrmaliger Nachfrage, nach welchen Kennzahlen die Nachbesetzung erfolgen, teilen die Senatsvertreter im Unterausschuss Personalwirtschaft und Öffentlicher Dienst noch mit, dass jedes Bezirksamt dafür verantwortlich sei, seine Stellen zu besetzen. Die Steuerungsdezernenten der Bezirksämter führten regelmäßige Gespräche mit den Fachdezernenten und tauschten sich über den Stellenbestand und das Ist und Soll aus“ (siehe https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/83105/protokoll_der_oeffentlichen_sitzung_des_unterausschusses_personalwirtschaft_und_oeffentlicher_dienst.pdf). Somit werden entgegen der Behauptung vom Senat die Ist- und Soll-Werte als Grundlage genutzt.

Auch weisen die Bereiche mit dem höchsten Fehlbestand die meisten Überlastungsanzeigen auf. Als Ursache wird Stellenvakanzen angegeben. Offensichtlich werden hier Unterstützungskräfte dringend benötigt.

Krankheitsstand

Die meisten Krankheitstage pro 100 Beschäftigte sind bei der Finanzbehörde, Landesbetrieb Gebäudereinigung Hamburg mit 6.021,56 zu verzeichnen. Danach kommen die Bürgerservice der Bezirke Altona, Nord sowie Wandsbek. Es ist nicht verwunderlich, schließlich weisen die Bürgerservice der Bezirksämter auch den höchsten Personalfehlbestand auf.

Überlastungsanzeigen

Die meisten Überlastungsanzeigen pro 100 Beschäftigte wurden beim Bezirksamt Mitte im Bereich Bauprüfung abgegeben. Hier hat fast jeder zweite Beschäftigte eine Anzeige abgegeben. Auch die Bereiche „Fachamt Zentrum für Wirtschaft, Bauen und Umwelt“ sowie das Gesundheitsamt des Bezirksamt Nord sind besonders betroffen. Bei allen seien Stellenvakanzen eine Ursache.

Eine Überlastungsanzeige wird besser Gefährdungsanzeige genannt. Denn darum geht es. Wenn die Arbeit so überhandnimmt, dass sie nicht mehr wie vorgegeben erledigt werden kann und daher eine Gefährdung von Personen oder Sachen zu erwarten sind.

Ausgelöst wird eine Überlastung bzw. Gefährdung oft bei Personalmangel, also wenn Personen die Arbeit Anderer mit übernehmen müssen. Auch bei zu hoher Arbeitsverdichtung, schlechten Arbeitsbedingungen oder zu wenig Freizeit durch dauerhafte Überstunden oder schlecht geplante Schichtdienste kann es zu Gefährdungen kommen. Ein Beispiel: Es treten mehr Fehler auf, wenn Altenpfleger/innen 10 Tage durcharbeiten müssen, weil Kollegen/-innen krank sind. Fehler können in diesem Fall die zu Pflegenden gefährden, aber auch die Pflegeperson, die durch die Arbeitsbelastung körperlich oder psychisch krank werden kann. 

Eine Überlastungs- bzw. Gefährdungsanzeige wird bei den Vorgesetzten abgegeben. Idealerweise nachweisbar in schriftlicher Form. Eine feste Vorgabe gibt es nicht. Die Hauptsache ist, dass der Arbeitnehmer dazu nicht schweigt. Deshalb kann er sich auch an die nächsthöhere Stelle in der Hierarchie wenden. Und natürlich und immer: an den Personalrat oder Betriebsrat. Insbesondere, wenn Überlastungsanzeigen nicht angenommen werden. 

Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräch (MAVG)

Jedes Jahr sollte den Beschäftigten vom Vorgesetzten ein MAVG angeboten werden. Doch offensichtlich kommen nicht alle diesem nach. In den Behörden „Behörde für Wirtschaft und Innovation“ und „Behörde für Verkehr und Mobilitätswende“ wurde allen Beschäftigten ein MAVG zu mindestens angeboten. Die von der zweiten Bürgermeisterin sowie Senatorin für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke geführte Behörde hingegen ist mit Abstand Schlusslicht. Hier wurde mehr als 57 Prozent der Beschäftigten nicht mal ein Angebot gemacht.

Leider sind die Aussagen wenig transparent, da die Dienststellen nicht zur statistischen Erfassung der Gespräche verpflichtet sind. So kann der Senat auch nicht überwachen, ob und in wie vielen Fällen MAVG angeboten werden. Hier muss schnellstmöglich eine Dokumentierung erfolgen.

Brandschutzhelfer

Zum Stichtag 31.03.2023: im Geschäftsbereich der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz (einschließlich Justizvollzugsanstalten, Gerichten und Staatsanwaltschaften) jeweils seit Januar 2023 zehn Brandschutzhelfer bzw. -helferinnen und acht Ersthelfer bzw. -helferinnen. Eine Nachbesetzung sei veranlasst, dies ist auch erforderlich. Schließlich sind die Stellen seit Januar unbesetzt.

 

Was muss sich aus der Sicht der CDU ändern?

 1.) Attraktivität der Stellen der Bezirksämter steigern – Handlungsfähigkeit für die Zukunft Hamburgs sicherstellen

In den Bezirksämtern Hamburgs wächst die Unzufriedenheit unter den Mitarbeitenden, denn die Entwicklungsmöglichkeiten in den Vergütungsstufen stoßen an Grenzen. Es ist kaum zu erklären, warum Mitarbeitende des Fachamtes „Management des öffentlichen Raumes“ der Bezirksämter zumeist geringer eingruppiert sind als ihre Kolleginnen und Kollegen im LSBG, denn die Aufgabenbereiche ähneln sich stark. Wir als CDU-Fraktion fordern, dass der Senat durch eine Überprüfung der Vergütungsstruktur die Attraktivität der Stellen in den Bezirksämtern sicherstellt und die bestehenden Vergütungsunterschiede für vergleichbare Tätigkeiten, insbesondere zwischen Landesbehörden und den bezirklichen Fachämtern Management des öffentlichen Raums, beseitigt. Zudem gilt es, die Entwicklungsmöglichkeiten in den Eingruppierungen zu verbessern, um Anreize für die berufliche Entwicklung zu geben. (22/9013) 

 

2.) Wohnungen für alle Anwärterinnen und Anwärter im öffentlichen Dienst schaffen

Der Wohnraum in Hamburg ist knapp, die Nachfrage höher als das Angebot. Viele Auszubildende können auf dem hart umkämpften Wohnungsmarkt nicht bestehen und sind gezwungen, außerhalb der Stadt zu leben. Dies trifft auch auf die künftigen Angestellten des öffentlichen Dienstes zu, deren Ausbildungsvergütung oft nicht ausreicht, um eine Wohnung im Hamburger Stadtgebiet beziehen zu können. Für Anwärterinnen und Anwärter des Allgemeinen Vollzugsdienstes stehen vier Wohngemeinschaften mit insgesamt neun Plätzen zur Verfügung. Für die Nachwuchskräfte der Polizei und der Feuerwehr stehen jeweils ein Wohnheim und 101 beziehungsweise 18 Unterkunftsplätze bereit. Eine verschwindend geringe Anzahl. Neue Wohnheime für die Nachwuchskräfte des öffentlichen Dienstes müssen dringend geschaffen werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Als Vorbild können die Wohnheime des Zolls dienen. So stellt die Zollverwaltung allen Nachwuchskräften bei den Ausbildungszentren einen Wohnheimplatz zur Verfügung (Drs. 22/9161). 

3.) Hamburg muss ein attraktiver Arbeitgeber sein

Seit Jahren nehmen die Anzahl und die Qualität der Bewerberinnen und Bewerber im öffentlichen Dienst ab. Das führt zum Schluss, dass die Privatwirtschaft attraktiver ist. Die Sicherheit, die der öffentliche Dienst für die Karriere vermittelt, ist weniger gefragt als gute Arbeitsbedingungen und ein gutes Einkommen. Daher setzt sich die CDU dafür ein, die Bedingungen im öffentlichen Dienst zu verbessern, um die vielen Beamten und Angestellten, die sich in nächster Zeit in den Ruhestand zurückziehen, adäquat ersetzen zu können. Und wer länger als bis zum klassischen Ruhestand arbeiten möchte, soll dies gerne tun können und weit genug im Voraus informiert werden, dass dies möglich ist (22/1954 und Drs. 22/9295).  Um den sinkenden Bewerberzahlen entgegenzuwirken, sollte zudem der Beihilfezuschuss auf 70 Prozent erhöht werden. Derzeit können die Anwärterinnen und Anwärter 50 Prozent ihrer Beiträge für die freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung erstatten lassen. Bei einer Erstattung von 70 Prozent fallen Mehrkosten in Höhe von 121.505,67 Euro an. Ein überschaubarer Betrag, der dabei helfen würde, die Hamburger Verwaltung weiter aufzuwerten und konkurrenzfähig zu halten Drs. 22/9161). 

4.) Beschäftigte ernst nehmen: Überlastung vermeiden

Seit Jahren sind Überlastungsanzeigen in einigen Bezirken besonders hoch, in anderen auf einem normalen Niveau. Das heißt: In den Bezirken mit vielen Überlastungsanzeigen muss gegengesteuert werden, denn offensichtlich läuft dort etwas schief. Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und die Belastungssteuerung müssen besser austariert werden und es muss vor allem überhaupt erst einmal reagiert werden, wenn die Vakanzen wieder hoch sind. Bisher hat der Senat das nicht geschafft (Drs. 22/1280). 

5.) Probleme schnell durch eine digitale Mitarbeiterbefragung erkennen und beheben

Viele Probleme der örtlichen Verwaltungen werden zu spät oder gar nicht erkannt. Daraus resultieren Überlastungen, Krankheiten und Arbeitsausfälle. Das dafür vorgesehene Mittel der Überlastungsanzeigen wird von einigen Vorgesetzten verboten. Es muss daher eine weitere Möglichkeit geschaffen werden. Dafür ist eine digitale, standardisierte und anonyme Mitarbeiterbefragung einzuführen. Dabei sind vor allem Aspekte der Unternehmenskultur abzufragen, um hier konkret anzusetzen zu können – vom Urteil über Atmosphäre oder Arbeitsbelastung bis zur Einschätzung des Vorgesetzen. Die behördenübergreifende einheitliche Erhebung macht es einfacher, über die Grenzen von Ressorts hinweg, qualifizierte Vergleiche anzustellen.  

6.) Durchlässiges Laufbahnrecht schaffen

Wir benötigen ein System, in dem mehr Ausnahmen gemacht werden oder die Ausnahmen sogar Regel werden, in dem verschieden gestaltete Lebenswege anerkannt und wertgeschätzt werden, in dem wir mehr Fokus auf Fähigkeiten und Leistungen legen als auf Titel. Als positives Beispiel lässt sich Bayern nennen. Hier wurde die Unterteilung des Öffentlichen Dienstes in mittleren, gehobenen und höheren Dienst aufgegeben und so eine größere Durchlässigkeit geschaffen. Die Aufstiegschancen sind besser und vielfältiger, auch Qualifikation und Qualitäten jenseits formaler Vorgaben erhalten größere Wertschätzung. Es muss möglich sein, bei Qualität und Qualifikation alle Laufbahnen ohne aufwendige Aufstiege durchlaufen zu können. 

7.) Künstliche Intelligenz (KI) nutzen

Viele Arbeitsabläufe der öffentlichen Verwaltung sind stupide und eintönig. Die Beschäftigten sind gezwungen diese ununterbrochen durchzuführen. Die freie Wirtschaft nutzt für derlei Prozesse bereits seit längerem künstliche Intelligenz. Algorithmen prüfen gleiche Prozesse ab und lernen eigenständig. Beschäftigte arbeiten nach einem Zufallsprinzip nur noch einen geringen Teil der gleichbleibenden Prozesse sowie die nicht gleichbleibenden Prozesse ab. So werden die Serviceleistungen der Verwaltung beschleunigt und Personal kann für andere Bereiche eingesetzt werden (Drs. 22/9705).